Bereits in unserem letzten Flugblatt "Kämpfe um einen linken AStA" haben
wir uns intensiv mit dem (damaligen) AStA und den Kämpfen innerhalb
der Verfassten Studierendenschaft um eine Linkswendung desselben
auseinandergesetzt. Seitdem ist einige Zeit vergangen. Es ist viel
passiert und gleichzeitig hat sich wenig verändert. Am Donnerstag,
den 10.12.2020, wurde im Studierendenparlament (Stupa) der Haushalt
verabschiedet und einige Referent*innen ersetzt. Die alte Linie vom
Bündnis aus RCDS (CDU-Hochschulgruppe) über Fridays for Future,
Jusos bis zu Unicorns bleibt dabei bestehen.
Okay, der im Juli neugewählte AStA hat jetzt einen ehemaligen
Bundeswehrsoldaten als Vorstand, was zumindest Fragen aufwirft.
Zumindest dann, wenn man offensichtlich weiterhin öffentlich stolz
auf seine Zeit beim Militär ist (wie auf Social Media festgehalten
wird). Kritische Reflektion sieht unserer Meinung anders aus,
kritische Männlichkeit sogar ganz anders. Aber bevor wir uns so
richtig mit dem neuen alten AStA beschäftigen können, müssen wir
zunächst nochmal einen Blick auf die Altlasten des letzten AStAs
werfen.
Wir sind nun keine Gruppe, die den AStA aufgrund jedes kleinsten
Formfehlers im Haushalt der Verfassten Studierendenschaft an den
Pranger stellen. Doch sind die aktuell bekannt gewordenen, grob
fahrlässigen Finanzversagen des alten AStA, aus dreifacher Hinsicht
interessant: Politisch-analytisch, historisch betrachtet und
selbstverständlich aus Perspektive der studentischen Basis. Was
geschah also? Der alte AStA-Vorstand, S. von den Unicorns und K.
(heute Juso) verantworten einen massiven Verstoß gegen die eigene
Finanzordnung und gegen die Wirtschaftsordnung der Verfassten
Studierendenschaft. Möglichweise wurde bei IT-Anschaffungen mit
einem Gesamtvolumen von ca. 74.000€ (fast 10% des Gesamthaushalts
der Studierendenschaft!) bis zu 23.000€ zu viel ausgezahlt, weil
keine Vergleichsangebote eingeholt und blind auf den
Systemadministrator vertraut wurde.
Analytisch ist die „Blindheit“ als Grund allerdings verharmlosend,
denn hier wird viel eher das politische Kalkül des AStAs deutlich:
Die Gelder der Verfassten Studierendenschaft werden zwischen
verschiedenen partikularen Interessen der am AStA und Präsidium des
Studierendenparlaments beteiligten Akteur*innen von Anfang an
aufgeteilt. Das zentrale Element, dass die linken, liberalen,
sozialdemokratischen und konservativen Kräfte zusammenhält ist die
Vereinbarung, dass alle einen entsprechenden Teil vom Kuchen
(Haushalt) zugesichert bekommen. Und so erscheint es uns plausibel
auch davon auszugehen, dass die benannte IT-Anschaffung über den
beschäftigten Administrator Teil eben dieses Deals war. Dass der
derzeitige AStA die nichtexistenten Vergleichsangebot nachträglich
noch aus dem Hut zauberte, aber vergaß, dass die Mehrwertsteuer
erst 2020 gesenkt wurde (ups), verdeutlicht nur das strukturelle
Problem, aufgrund dessen erstmals einem AStA die Entlastung von
Seiten des Wirtschaftsrates verwehrt werden musste. Eine linke
Kritik an dieser Praxis bedeutet für uns zu betonen, dass ein
bewegungslinker AStA möglich ist, der seinen politischen Konsens
nicht aus der Aufteilung von Geldern der Studierenden, sondern auf
geteilten Hoffnungen und Utopien aufbaut. Die Listen mit einem
linken Anspruch im alten und neuen AStA wissen von dieser
Möglichkeit. Sie mussten lernen, dass die politische Querfront
nicht ohne Schäden an Ihnen ablaufen wird.
Nähern wir uns nun der aktuellen Legislatur und schauen auf
weitere Ereignisse, die mit den Finanzen im weiteren Sinne zu tun
haben. Hier wird es Zeit, nicht zu vergessen, an die zweite
Gemeinsamkeit im AStA zu erinnern: Die Konstruktion des Selbst und
des anderen durch die negative Selbstidentifikation in der
gemeinsamen Ablehnung von allem, was an der UHH dem Bündnis für
Aufklärung und Emanzipation (BAE) zugerechnet wird (hierzu hatten
wir bereits ausführlich im ersten Teil Stellung bezogen). Das hier
herausgestellte Gemeinsame macht möglich, dass bis zum Dezember
dieses Jahres die männlich gelesene Projektkraft A. der Gruppe
Schöne Zeiten im Finanzreferat arbeitete und dabei physisch und
psychisch gewaltsam gegen Frauen* vorging, welche ihr Anliegen an
das Referat herangetragen hatten. Das war vor allem deswegen
möglich, weil vor allem Frauen* Opfer wurden, die in
Fachschaftsräten und teilautonomen Referaten aktiv sind. So kam es
zu zahlreichen Vorfällen - ohne dass darauf zunächst Konsequenzen
folgten:
Auf die Abgabe eines normalen Finanzantrags durch einen FSR wurde
handgreiflich reagiert und mit Macker-Gehabe und körperlicher
Gewalt Studentinnen aus dem Büro gedrängt. Darüber hinaus berichten
Studentinnen, dass sie bei der einfachen Beantragung eines
Semesterticketdarlehens, also bereits aus einer Notlage heraus sich
an den AStA wendend, so schlecht behandelt wurden, dass sie daraus
folgend einen Nervenzusammenbruch erlitten.
Auch bekamen FSRe regelmäßig arrogante und beleidingende E-Mails
aus dem Finanzreferat. Selbst einem Antrag zur Kündigung des
Arbeitsverhältnisses wurde im AStA mit den Listen, die sich nach
eigener Darstellung explizit mit Feminismus identifizieren – u.a.
Unicorns und Jusos – abgelehnt. Wir sind der Meinung, dass
Frauen*feinde nicht das Recht auf eine gesichtswahrende Behandlung
durch einen AStA haben und fordern hiermit erneut eine öffentliche
Aufarbeitung der Geschehnisse.
An der aktuellen Auseinandersetzung um die Einführung von
Studieneignungstestgebühren in der Medizin wird erneut die
Pseudo-Aktivität des AStA deutlich, die zwar gesichtswahrend, aber
nicht eingreifend oder konsequenzenreich ist: Nach dem öffentlich
u.a. vom Freien Zusammenschluss von Student*innenschaften (fzs)
gegen die Pläne des Hamburger Senats protestiert wurde, hat der
AStA eine Stellungnahme geschrieben. Diese wurde dann vom
Vorsitzenden des Wissenschaftsausschusses (wie der AStA-Vorstand
auch in der SPD) an alle Vertreterinnen des Ausschusses
weitergeleitet. Als die richtige Kritik des AStAs im Ausschuss
zurückgewiesen wurde (das seien keine Studiengebühren und überhaupt
wolle der Senat die gegenwärtige Rechtslage nur klarstellen), war
es das dann aber auch schon. Keinerlei Recherche, keinerlei
Öffentlichkeitsarbeit. Selbst die Bundesverbände fzs, GEW, ver.di,
DGB, BAS haben sich entschlossener gegen die Gebühren gewendet als
der AStA der UHH. Diese Politik ist bestimmend für den aktuellen
AStA, der seine Arbeit auf die oben beschriebene Verwaltung des
Haushalts reduziert. Populäre Forderungen werden zu verschiedenen
Thematiken einmalig formuliert, aber Kämpfe gibt es keine.
Stattdessen wird abgewartet und je nach dem, wie sich die
Auseinandersetzung entwickelt, die andere Akteur*innen führen,
werden Forderungen opportunistisch angepasst. Schon im ersten Teil
hatten wir auf ein ähnliches Verhalten in der Auseinandersetzung um
das Solidarsemester hingewiesen.
Letztlich müssen wir auch keine Beweise mehr anführen, dass auch
der "neue" AStA nicht wirklich linke Politik betreiben möchte - das
hat er in der vergangen Stupa-Sitzung selbst getan. In dieser hat
ein Parlamentarier der Fraktion "UKEler vereint" das Wort. Zunächst
sagt er, dass er zwar unseren Text "Kämpfe um einen linken
AStA"(Teil I) sprachlich und inhaltlich amüsant fände (danke fürs
Lob), er uns aber in einem wesentlichen Punkt widersprechen müsse.
Denn er findet: "Wir brauchen keinen linken AStA" (Dank
zurückgezogen). Sofort springt der SPD-AStA-Vorstand - sowie
weitere Teile des AStAs - auf und bricht in Jubelgeschrei
aus.
Auch wenn wir natürlich verstehen können, dass es wirklich schwer
sein muss, die alte Bundeswehr-Konditionierung abzulegen, ist die
Situation dennoch sehr abstrus.
Fakt ist, dass der AStA mit seiner aktuellen obrigkeitshörigen
und attentistischen Politik keine linken Kämpfe führt, ja gar nicht
führen kann, sondern sie nur simuliert. Die inneren Widersprüche
sind gefährlich (siehe das gewaltsame Vorgehen gegen Frauen*) und
untergraben die Legitimität der Verfassten Studierendenschaft
(Finanzgeschehen).
Umso wichtiger, hier nochmal den Ausblick aus unserem ersten Text
zu wiederholen: Ein solidarischer, linker AStA als Teil sozialer
Bewegung aus der Uni heraus ist möglich! Dieser wäre keine generöse
Gehilfin, welche soziale Bewegung je nach Bedarf zur Festigung der
eigenen Hegemonie stützt oder verhindert. Denn soziale Bewegung ist
Ausdruck solidarischer Beziehungsweisen, die eine spontane
politische Organisierung gegen das herrschende Interesse
hervorbringen und langfristige Strukturen ermöglichen. Als
prinzipielle Gegner*innen des Bestehenden, können wir die verfasste
Studierendenschaft wieder zur solidarischen Verbündeten von
radikaldemokratischen, feministischen und antirassistischen Kämpfen
machen. Teil einer außerparlamentarischen Opposition werden, statt
den AStA als Ausgangspunkt der eigenen politischen Karriere zu
sehen. Wir bleiben offen für neue linke Bündnisse nach der
aktuellen StuPa-Wahl. Es liegt also an den anderen, sich selbst als
„bewegungsorientiert“ oder „links“ verstehenden Listen, Neues zu
wagen und Querfrontpolitiken aufzugeben.
*Attentismus: von Opportunismus bestimmte, abwartende
Haltung
Hinweis: Im Unterschied zu den Jusos ist CampusGrün keine
Teilstruktur einer Regierungspartei. Der Bundesverband Campusgrün
und CampusGrün Hamburg sind organisatorisch und politisch
unabhängig von den GRÜNEN, werden aber erkämpfterweise von der
Partei als Vertretung grüner Positionen an den Hochschulen
anerkannt. Dies ermöglicht es uns, in studentischer und städtischer
Bewegung offen oppositionelle Politik zu betreiben.