CampusGrün Hamburg

Redebeitag auf der Demo: "Rettet Hamburgs Natur - Jeder Baum zählt" (29.05.2021)

Redebeitrag: Mehr kritische und intervenierende Wissenschaft für den Erhalt der Hamburger Grünflächen

Als Studierende kommen wir mit den ökologischen Krisen im Rahmen des Studiums eher in Form von abstrakten Thematiken wie der Klima- und Biodiversitätskrise, also als globale Probleme, in Kontakt. Auf der Ebene der wissenschaftlichen Theorien in den vergangenen Jahrzehnten einiges in Bezug auf das Naturverhältnis getan: In den Sozialwissenschaften wird die künstliche Trennung zwischen Mensch und Natur zunehmend kritisch hinterfragt und das Naturverhältnis als gegenseitige Abhängigkeit betrachtet oder wie die kritische Anthropologin Anna Tsing es formulierte „Menschliche Natur ist eine Angelegenheit zwischen Spezies". Die dabei implizierte Ent-Romantisierung der Natur ist radikal, denn sie fordert dazu auf, alle Lebensweisen daraufhin zu analysieren wie und warum, Beziehungen zu anderen Lebensformen gestört werden. Damit wird auch die kapitalistische Produktionsweise an sich hinterfragt, denn eines ist sicher: Profitmaximierung kann nur mit Entfremdung von Natur und der Dekomplexierung ökologischer Systeme stattfinden. Ein entromantisiertes Naturverständnis würde man auch gerne einigen politischen Verantwortlichen nahelegen, die Natur vor allem als den Ort für Freizeit-Aktivität oder als abstrakten Faktor in der Lösung von Problemen wie der Klimakrise sehen.

Dass es eigentlich um Hamburgs Natur schlecht steht, wird aber bei der konkreten Betrachtung der vielen umkämpften Grünflächen deutlich, die hier heute von den verschiedenen Initiativen repräsentiert werden. Das Grün in der Politik des Hamburger Senats ist leider mehr Schein als Sein. Überall wo es Interessenskonflikte mit der Industrie oder Wohnungsbau-Unternehmen geben könnte, wird sich gegen Grünflächen entschieden. Vermeintliche Ausgleichsmaßnahmen sind meistens keine: Ein Baum kann eben nicht einfach durch einen anderen Baum an anderer Stelle ersetzt werden.

Da, um wieder zur Universität zurückzukehren, würde man häufiger kritischere Stimmen aus den Wissenschaften erwarten. Es gibt genug Argumente gegen konkrete Maßnahmen wie die Elbvertiefung, die Hafenerweiterung, die Flächenverdichtung und und und… - trotzdem hört man wenig. Nicht zuletzt die immer schlechter werdende Grundfinanzierung der Universitäten als auch die weitere Verschulung des Studiums sind hierfür wesentliche Gründe. Auch im kommenden Haushalt sollen Forschung, Lehre und Bildung nicht genug Grundmittel zur Verfügung gestellt werden, Professuren und Schwerpunkte (meist die kritischen zuerst) werden gestrichen, die Abhängigkeit von Drittmitteln und somit von Geldgebern die auch politische Akteure sind, steigt. Deswegen wird es am kommenden Samstag eine Demonstration gegen weitere Kürzungen unter dem Titel stop the cuts um 13:00 vor dem Hauptgebäude der Uni Edmund-Siemers-Allee geben - zu der wir euch herzlich einladen!

Dass Wissenschaft generell aber auch anders sein könnte, zeigen auch Erfahrungen aus der Vergangenheit. Gerade studentische Forschungsprojekte haben immer wieder kritisch-wissenschaftlich in städtische Konflikte eingegriffen. Ein gutes Beispiel ist die (studentische) Umweltschutzgruppe Physik-Geowissenschaften, die Anfang der 80er durch eigene Untersuchungen nachgewiesen hat, dass der Kupferproduzent „Norddeutsche Affinerie“ (kurz Affi) jahrelang stark schwermetallhaltige Abgase und Abwässer in die Elbe und die Luft abgab. Das führte zumindest zu einem kräftigen Image-Schaden, wenn auch nicht zur Schließung des Unternehmens, dass den meisten heute nur noch als Aurubis bekannt sein dürfte.

Wir meinen, dass es heute wieder viel mehr solcher kritischen Wissenschaft bedarf. Deshalb ergänzen wir zu den vielen wichtigen hier heute genannten Forderungen, dass es unbedingt eine finanzielle Grundlage und eine demokratische Planung und Durchführung von solcher Kritischer Wissenschaft braucht, die ihren Mund aufmacht, sich in konkrete Konflikte einmischt und klar Position für eine ökologischere Perspektive bezieht.